Wer regelmässig auf WordCamps unterwegs ist, kennt Noel Tock: Mitgründer von Human Made, Mitorganisator des ersten WordCamp Europe und seit über 20 Jahren im WordPress-Ökosystem aktiv. Doch dieses Jahr war sein Vortrag anders. Persönlicher. Dringlicher.
Denn Noel verbringt inzwischen mehr als die Hälfte seiner Zeit in Charkiw, einer Stadt im Osten der Ukraine – bekannt als «die Unbeugsame». Von dort aus organisiert er mit seiner kleinen Organisation Evakuierungseinsätze an der Front, rettet Hunde, manchmal auch Menschen. Und setzt dabei auf WordPress. Nicht als Selbstzweck, sondern als Mittel zur digitalen Resilienz.
WordPress und der grosse Zusammenhang
Noels Vortrag ist ein leidenschaftlicher Appell, den eigenen Beitrag zur Open-Source-Welt nicht zu unterschätzen. Denn während viele von uns täglich an Themes, Plugins oder Kundenprojekten arbeiten, vergessen wir oft: Open Source ist längst mehr als ein Entwickler-Spielplatz.
«Während wir Websites bauen, verändert Open Source leise die Welt.»
In den letzten 20 Jahren war Open Source ein Schlüsselakteur in vielen globalen Krisen:
- Sudan 2003: Kaum digitale Tools, kein Netzwerk, keine Möglichkeit zu helfen.
- Arabischer Frühling: Open Source machte Dissens sichtbar – über Blogs, soziale Medien, WordPress.
- Erdbeben in Nepal 2015: Freiwillige weltweit kartierten zerstörte Gebiete via OpenStreetMap.
- COVID-19: Globale Kollaboration durch offene Datensätze, 3D-Druckpläne und Dashboards.
Und heute? Spielt WordPress eine zentrale Rolle im ukrainischen Widerstand – nicht militärisch, sondern zivilgesellschaftlich.

Digitale Resilienz beginnt mit einem Commit
Noel zeigt beeindruckende Zahlen: Trotz des Krieges entstehen weiterhin neue WordPress-Websites in der Ukraine. Und nicht irgendwelche – viele der 50 grössten ukrainischen Hilfsorganisationen, die gemeinsam über eine halbe Milliarde Dollar gesammelt haben, laufen auf WordPress. Dazu gehören:
- Superhumans: Versorgung von Amputierten mit Prothesen und Reha.
- Repair Together: Freiwillige helfen beim Wiederaufbau – begleitet von Techno-Musik.
- Caritas Ukraine: Versorgung mit Wasser, Nahrung, Unterkunft.
- Save Ukraine: Rückführung verschleppter Kinder aus besetzten Gebieten.
- Und Noels eigene Organisation, die allein über 1.275 Hunde aus Kriegsgebieten evakuiert, medizinisch versorgt und vermittelt hat – dokumentiert auf einer WordPress-Website.
Diese Organisationen nutzen WordPress nicht wegen PageSpeed oder Core Web Vitals. Sondern weil es ihnen erlaubt, schnell, unabhängig und flexibel zu handeln. Weil es funktioniert, wenn es darauf ankommt.
Open Source als Haltung
Der Vortrag kulminiert in einem einfachen, aber kraftvollen Gedanken:
«Die wahre Wirkung von WordPress lässt sich nicht in Umsatz oder Nutzerzahlen messen – sondern an den Leben, die wir damit verbessern.»
In Kriegsgebieten wie Woltschansk trifft sich morgens eine Handvoll kleiner Organisationen an der Tankstelle, um den nächsten Einsatz zu planen. Keine Hierarchie, keine langen Abstimmungen. Einfach handeln.
Genauso funktioniert Open Source: jemand übersetzt einen Text, committet eine Codezeile, entwirft ein Icon. Kleine Beiträge, die in der Summe Grosses ermöglichen.
Was das für alle bedeutet, die mit WordPress arbeiten
Viele Menschen arbeiten täglich mit WordPress – ob als Webdesignerin, Entwickler, Projektleiterin oder Redakteur. Einige entwickeln Core-Features, andere gestalten Seiten für Kundinnen oder bloggen in ihrer Freizeit. Aber egal, auf welcher Ebene sie aktiv sind – sie sind Teil eines Systems, das heute hilft, morgen vielleicht rettet und langfristig die Welt ein kleines Stück gerechter macht.
Noel bringt es auf den Punkt:
«Ich stehe heute nicht nur als Entwickler vor euch. Ich stehe hier als Nutzer. Als jemand, der eure Arbeit dringend braucht.»
Fazit
WordPress ist mehr als ein CMS. Es ist ein Symbol für digitale Selbstbestimmung, für Gemeinschaft, für Handlungsfähigkeit in Zeiten der Krise. Wer zu WordPress beiträgt – egal ob mit Code, Support oder Leidenschaft – trägt dazu bei, dass diese Welt nicht nur vernetzter, sondern auch menschlicher wir.
Credits
- Beitragsbilder von Paco Marchante
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