Wie lassen sich die beliebtesten freien E-Commerce-Systeme in der Schweiz vergleichen, was sind ihre Zielgruppen und Besonderheiten? Ich habe mein nicht ganz ernst gemeintes Auto-Vergleichsmodell überarbeitet. Anfang 2024 habe ich zu diesem Thema einen ähnlichen Artikel für das Schweizer topsoft Magazin für digitales Business verfasst. Für den Openstream Blog habe ich den Vergleich jetzt nochmal inhaltlich und visuell erweitert.
Inhalt
Bereits 2016 habe ich im Artikel «Die wichtigsten Shopsysteme in der Schweiz» einen Überblick über die Marktlage gegeben. Damals belegten Open Source Systeme wie WooCommerce, Magento und PrestaShop die ersten drei Plätze. Heute hingegen dominieren proprietäre Plattformen die Spitze der Statistik, wobei ich bei Wix Stores etwas misstrauisch bin, ob die Daten von BuiltWith® sich hier tatsächlich auf reine Wix Stores beziehen oder auf reguläre Wix Websites.
Das deutet leider darauf hin, dass das offene Web insgesamt rückläufig ist und proprietäre Systeme bei Anwenderinnen und Anwendern beliebter sind. Es bedeutet aber auch, dass Open Source Shop-Systeme benutzerfreundlicher werden müssen, um für weniger technikaffine Nutzerinnen und Nutzer attraktiver zu sein. Denn trotz ihrer Vorteile in Sachen Freiheit und Kontrolle verlieren sie im Alltagseinsatz oft gegen die Bequemlichkeit vollintegrierter Lösungen.
Shop-System | Anzahl Websites in der Schweiz | % |
---|---|---|
Wix Stores | 56,910 | 29.36 |
Shopify | 20,955 | 10.81 |
Ecwid | 16,258 | 8.39 |
WooCommerce | 13,065 | 6.74 |
Squarespace Add to Cart | 11,221 | 5.79 |
PrestaShop | 2,872 | 1.48 |
Webflow Ecommerce | 1,278 | 0.66 |
Magento | 1,216 | 0.63 |
ePages | 899 | 0.46 |
PepperShop | 842 | 0.43 |
Drupal Commerce | 832 | 0.43 |
Weebly eCommerce | 793 | 0.41 |
Shopware | 778 | 0.4 |
Gambio | 485 | 0.25 |
OpenCart | 423 | 0.22 |
Gerade deshalb ist es mir wichtig, die Vorteile quelloffener Systeme hervorzuheben. Wer Open Source nutzt und selbst hostet, behält die volle Kontrolle über seine Daten, den Serverstandort und die technische Entwicklung des eigenen Shops. Diese Unabhängigkeit ist ein unschätzbarer Vorteil – insbesondere in Zeiten wachsender Abhängigkeit von Plattformanbietern.
Als ich vor über 20 Jahren meine Leidenschaft für Open Source entdeckte, war die E-Commerce-Landschaft noch sehr überschaubar. Mein erster Webshop basierte auf osCommerce – und genau damit habe ich programmieren gelernt.
2008 wurde Magento veröffentlicht und veränderte die Open Source E-Commerce-Szene nachhaltig. Eine kalifornische Agentur war frustriert von den Einschränkungen von osCommerce und entwickelte eine neue Plattform, die durch Erweiterbarkeit, modernes Design und die Möglichkeit zur Mitgestaltung am Core überzeugte. Open Source bedeutet, dass der Quellcode offen zugänglich ist – auf Plattformen wie GitHub arbeiten heute über 100 Millionen Menschen an freier Software.
Shop-Systeme als Autos
Ein Blick auf die meistgenutzten Systeme in der Schweiz zeigt eine bunte Vielfalt – quelloffen, unabhängig, flexibel. Um die Charakteristika greifbarer zu machen, vergleiche ich die Systeme mit bekannten Automarken. Falls du das für Schwachsinn hältst oder eine passendere Automarke für eines der Shop-Systeme hast, lass es mich in den Kommentaren wissen.
WooCommerce: Volkswagen
Für mich ist WooCommerce der «Volkswagen» unter den Shop-Systemen. Es ist weit verbreitet, zugänglich und zuverlässig. Gerade weil es auf WordPress basiert, nutzen es viele Einsteigerinnen und Einsteiger, die bereits mit der Plattform vertraut sind.
Ich empfehle WooCommerce oft dann, wenn ein Shop schnell online sein soll, ohne grosse Investitionen oder lange Lernphasen. Die grosse Auswahl an Themes und Plugins macht es einfach, das System an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Die Einstiegshürde ist niedrig, was ideal für kleine Unternehmen oder Solo-Selbstständige ist.
Wer später wachsen will, kann WooCommerce durch Erweiterungen skalieren – bis zu einem gewissen Punkt. Bei sehr grossen Produktkatalogen oder speziellen B2B-Anforderungen bieten sich Shop-Systeme wie Magento bzw. Adobe Commerce an.

PrestaShop: Peugeot
PrestaShop erinnert mich an Peugeot – solide, oft unterschätzt, aber mit einer treuen Fangemeinde. Besonders im französischsprachigen Raum ist PrestaShop stark vertreten. In der Schweiz sehe ich es häufiger in der Romandie oder bei Kunden mit Verbindungen nach Frankreich.
Das Backend ist etwas eigenwillig, aber wer sich einmal eingearbeitet hat, kann damit sehr effizient arbeiten. Entwicklerinnen und Entwickler schätzen die Flexibilität des Systems – es bietet viele Konfigurationsmöglichkeiten und eignet sich gut für Unternehmen mit technischen Ressourcen im Haus.
PrestaShop ist eine gute Wahl für Händlerinnen und Händler, die ein schlankes, schnelles Shopsystem suchen, aber dabei auf Open Source und Anpassbarkeit nicht verzichten wollen. Es ist vielleicht nicht so glamourös wie andere Systeme – aber zuverlässig.

Magento (Adobe Commerce): Mercedes-Benz
Magento ist für mich ganz klar der «Mercedes-Benz» unter den Shop-Systemen. Es ist mächtig, vielseitig und auf Enterprise-Niveau skalierbar. Gleichzeitig braucht es technisches Know-how und Ressourcen – genau wie ein Mercedes regelmässige Wartung durch Profis erfordert.
Ich setze Magento ein, wenn es um komplexe B2B-Strukturen, Multistores, mehrere Sprachen und Währungen geht. Die Plattform bietet fast unbegrenzte Möglichkeiten, ist aber auch entsprechend wartungsintensiv und anspruchsvoll.
Wer Magento einsetzt, will meist nicht nur verkaufen, sondern eine Plattform aufbauen, die mit dem Unternehmen wächst. Ich habe seit 2008 zahlreiche internationale Magento-Shops entwickelt und – und weiss, wie wichtig eine gute technische Begleitung dabei ist.

Hyvä: Volvo
Mit Hyvä erlebt Magento gerade eine Renaissance unter Agenturen und Entwickelnden. Das moderne Frontend-Framework ersetzt das oft kritisierte Standard-Theme durch eine deutlich performantere und schlankere Lösung. Seiten laden schneller, Core Web Vitals verbessern sich und die Entwicklung wird wieder angenehmer – auch ohne JavaScript-Overkill.
Hyvä bringt frischen Wind in die Magento-Welt und zeigt, dass auch ein «Enterprise-System» nicht schwerfällig sein muss. Ich sehe darin eine grosse Chance, Magento wieder für mittelgrosse Shops attraktiv zu machen – vorausgesetzt, das nötige Entwicklerwissen ist vorhanden.

Drupal Commerce: Citroën
Drupal Commerce ist eng mit dem bekannten Content-Management-System Drupal verbunden. Es eignet sich besonders für komplexe Projekte, bei denen Inhalte und Commerce-Funktionalität eng verzahnt sein sollen – zum Beispiel bei Plattformen mit Community-Funktionen, Portalen oder inhaltsgetriebenen Verkaufsmodellen.
Ich sehe Drupal Commerce als das «Citroën» unter den Shopsystemen: eigenständig, unkonventionell und technisch durchdacht – aber nicht unbedingt für den Mainstream gedacht. Wer bereits Erfahrung mit Drupal gesammelt hat, kann Commerce nahtlos integrieren und profitiert von der mächtigen Struktur des CMS.
Allerdings ist der Einstieg nicht ganz einfach – das System erfordert technisches Verständnis und eine saubere Konzeption. Dafür erhält man ein Framework, das maximale Freiheit bietet, insbesondere für individuell gestaltete Commerce-Lösungen mit starker redaktioneller Komponente.

Shopware: BMW
Shopware ist ein in Deutschland entwickeltes Open Source Shopsystem, das besonders im DACH-Raum verbreitet ist. Die Plattform setzt stark auf modulare Erweiterbarkeit, API-First-Ansätze und ein modernes Tech-Stack. Das macht sie technisch interessant für Projekte mit klaren Wachstumsambitionen.
In der Community gilt Shopware als flexibel, entwicklerfreundlich und optisch ansprechend. Es bietet viele Möglichkeiten zur Individualisierung – vom Produktkatalog bis zur Content-Inszenierung. Auch im Enterprise-Bereich kommt Shopware zunehmend zum Einsatz, oft im Zusammenspiel mit Headless-Architekturen.
Trotz dieser Vorteile sollte man berücksichtigen, dass Shopware gewisse Systemanforderungen mit sich bringt. Für kleinere Projekte kann die Komplexität abschreckend wirken, insbesondere wenn keine technischen Ressourcen im Haus oder keine versierte Agentur verfügbar ist. Wer sich jedoch auf die Plattform einlässt, erhält ein modernes, leistungsfähiges E-Commerce-Framework.

OpenCart: Škoda
OpenCart ist für mich das Škoda-Modell unter den Shopsystemen – pragmatisch, robust und oft unterschätzt. Es richtet sich an Entwicklerinnen und technikaffine Händler, die lieber selbst Hand anlegen.
Das System ist schlank, schnell installiert und lässt sich gut anpassen. Ich sehe OpenCart oft bei kleineren Projekten oder als Basis für individuelle Entwicklungen. Die Lernkurve ist flach, das Handling direkt.
Trotz seiner Einfachheit bietet OpenCart erstaunlich viele Funktionen. Wer eine zuverlässige Lösung sucht und auf unnötigen Ballast verzichten kann, findet hier ein ehrliches System ohne Schnickschnack.

Fazit
Die Wahl des passenden Shopsystems hängt stark von Budget, Zielgruppe, Wachstumsplänen und technischer Affinität ab. Open Source Systeme überzeugen durch Kontrolle, Flexibilität und Datenschutzfreundlichkeit – und lassen sich oft gut mit Schweizer Hosting kombinieren.
Viele Anwenderinnen und Anwender sind jedoch frustriert, weil ihr Shopsystem nicht so funktioniert, wie erhofft. In meiner Erfahrung liegt das häufig daran, dass es entweder nicht sauber aufgesetzt wurde – oder weil eine Agentur oder ein Hobby-Entwickler beauftragt wurde, der oder die nicht ausreichend versiert war. Das führt dann schnell zu technischen Schulden und schlechter Performance.
Shopify wird heute von vielen als das «beste» Shopsystem betrachtet. Die aktuellen Zahlen von BuiltWith® scheinen das teilweise zu bestätigen – zumindest, was die Marktverbreitung betrifft. Dennoch bin ich überzeugt: Man kann mit jedem Shopsystem ein erfolgreiches E-Commerce-Business aufbauen. So wie man mit jedem Auto ans Ziel kommt, wenn man es regelmässig wartet, gepflegt fährt – und die Route kennt.
Ob VW, Volvo oder Mercedes – jedes System hat seine Berechtigung. Wichtig ist, dass es zur Geschäftsstrategie passt und mitwächst.
Beitragsbild von Remy Lovesy.
Schreibe einen Kommentar