Insights aus dem meistgelesenen AI-Report im Silicon Valley
Der State of AI 2025 ist der meistgelesene und meistzitierte KI-Report im Silicon Valley. Herausgegeben von Nathan Benaich, Gründer und General Partner von Air Street Capital, fasst er die wichtigsten Entwicklungen des Jahres in Forschung, Industrie, Politik und Sicherheit zusammen. Unterstützt wird Benaich von einem kleinen, hochqualifizierten Team: Zeke Gillman, Tech-Policy-Fellow an der Stanford University, Nell Norman, Informatikstudentin am Imperial College London, und Ryan Tovcimak, Gründer des AI Stack Tracker. Gemeinsam analysieren sie die neuesten Trends an der Schnittstelle von Wissenschaft, Technologie und Wirtschaft.
Dieser Artikel fasst die wichtigsten Erkenntnisse des Reports zusammen – klar, nachvollziehbar und ohne Buzzword Bingo.
Inhalt
Forschung, Reasoning und Open Source
2025 war das Jahr des Reasoning. Frontier-Labs wie OpenAI, DeepMind, Anthropic und DeepSeek kombinierten Reinforcement Learning, rubric-basierte Belohnungen und verifizierbare Reasoning-Umgebungen, um Modelle zu schaffen, die planen, reflektieren und sich selbst korrigieren können.
OpenAI behält eine knappe Führungsposition, doch die Konkurrenz hat deutlich aufgeholt. China etabliert sich mit DeepSeek, Qwen und Kimi als glaubwürdige Nummer zwei. Die offene Community gewinnt an Dynamik: Die Qwen-Familie führt bei Downloadzahlen und praktischer Anwendbarkeit, während Meta an Einfluss verliert.
Zentrale Erkenntnisse aus dem Report:
- Verifiable RL (Reinforcement Learning) ist Standard geworden – etwa bei mathematischen Aufgaben auf IMO-Goldniveau.
- Parallel Reasoning ermöglicht verzweigtes Denken statt linearer Antworten.
- DeepSeek V3 und V3.2-Exp zeigen, wie hybride Denkmodi Effizienz und Genauigkeit verbessern.
- Die chinesische Open-Weight-Community (Qwen, Kimi, ByteDance Seed) treibt den Fortschritt mit offenen Lizenzen voran.
Darüber hinaus zeigt der Report, dass KI zu einem wissenschaftlichen Partner geworden ist. Systeme wie DeepMind Co-Scientist und Stanford Virtual Lab generieren, testen und validieren Hypothesen autonom. In der Biologie demonstrierte Profluent mit ProGen 3, dass Skalierungsgesetze auch für Proteine gelten.
Structured Reasoning in Robotik: Modelle wie AI2 Molmo-Act und Google Gemini Robotics 1.5 planen Schritt für Schritt, bevor sie handeln. Damit rückt das Konzept des «Chain of Action» in die physische Welt vor.
Industrie, Energie und wirtschaftliche Dynamik
Die Kommerzialisierung von KI beschleunigt sich rasant. Nvidia bleibt der zentrale Knotenpunkt – über 90% aller Forschungsarbeiten basieren auf Nvidia-Hardware, die Marktkapitalisierung liegt bei rund 3.5 Trillionen CHF (umgerechnet von 4 Trillionen USD). Doch der Engpass verlagert sich: Energie wird zur kritischen Ressource.
Wichtige wirtschaftliche Trends:
- Laut Ramp und Standard Metrics zahlen bereits 44% der US-Unternehmen für KI-Tools (2023: 5%). Der durchschnittliche Vertragswert liegt bei rund 470’000 CHF.
- KI-First-Unternehmen wachsen 1.5-mal schneller als vergleichbare Firmen in anderen Sektoren.
- Neo-Clouds rund um Nvidia entstehen, teils direkt von Nvidia finanziert.
- Sora 2 (OpenAI) erweitert das Spektrum multimodaler Modelle hin zu vollwertigen Video- und Audiogeneratoren.
Für Unternehmerinnen und Gründer bedeutet das: KI wird günstiger, aber energieintensiver. Investitionen in effiziente Inferenz – etwa durch Kombination lokaler Systeme mit Neo-Clouds – werden strategisch entscheidend.
Politik, Souveränität und Machtverschiebungen
Die geopolitischen Fronten verhärten sich:
- Die USA setzen auf eine «America-First AI»-Strategie, um den Technologiestack global zu exportieren.
- Der AI Act der EU wird pragmatischer umgesetzt – Wachstum steht über Regulierung.
- China investiert massiv in eigene Rechenzentren und Siliziumproduktion und baut sein Open-Source-Ökosystem weiter aus.
Das Konzept der Sovereign AI prägt das Jahr: Staaten wie die USA, China und die Vereinigten Arabischen Emirate fördern Multi-Gigawatt-Rechenzentren. Energieversorgung wird damit zur neuen geopolitischen Achse der KI-Industrie.
Sicherheit und Governance
Sicherheitsforschung erreicht eine neue, pragmatische Phase. Modelle können inzwischen Alignment imitieren, was eine Debatte über Transparenz versus Leistungsfähigkeit ausgelöst hat. Externe Sicherheitsorganisationen arbeiten mit Budgets, die geringer sind als der Tagesverbrauch eines Frontier-Labs.
Wichtige Entwicklungen:
- Safety-by-Design stösst an Grenzen: Bias und ungewollte Verhaltensmuster bleiben bestehen.
- Cyberfähigkeiten von KI-Systemen verdoppeln sich etwa alle fünf Monate.
- Die existenzielle Risikodebatte hat an Bedeutung verloren – im Fokus stehen nun Verlässlichkeit, Cyber-Resilienz und Governance.
Für Unternehmen heisst das: Sicherheitskonzepte, Audits und LLM-Ops-Monitoring müssen in die tägliche Praxis integriert werden. Modelle gelten nur dann als «sicher», wenn sie nachvollziehbar trainiert und überprüfbar betrieben werden.
State of AI 2025 – Nutzung in der Praxis
Die AI Practitioner Survey mit über 1’200 Teilnehmenden zeigt: 95% nutzen KI im Beruf oder privat, 76% zahlen selbst für Tools. 70% berichten von wachsenden KI-Budgets und messbaren Produktivitätsgewinnen.
Top-Use-Cases: Coding, Content-Erstellung, Dokumentation, Recherche. Die grössten Herausforderungen bleiben Datenschutz, Integration und Know-how-Aufbau – typische Themen für KMU (kleine und mittlere Unternehmen).
Ausblick 2026 – von AGI zu Superintelligenz
Benaich erwartet, dass offene Agenten im kommenden Jahr wissenschaftliche Entdeckungen machen werden – möglicherweise mit Nobelpreis-Potenzial. Zudem könnte ein chinesisches Labor erstmals ein US-Modell an der Leistungsspitze ablösen. Der Begriff Superintelligenz ersetzt zunehmend «AGI» und verschiebt den Diskurs von Skalierung zu Zielgerichtetheit.
Fazit: Was der State of AI 2025 für Unternehmen bedeutet
Der State of AI 2025 zeigt, dass KI aus der Experimentierphase heraus ist. Sie wird effizienter, zugänglicher, aber auch energiehungriger und sicherheitskritischer. Für Unternehmerinnen und Unternehmer gilt:
- KI ist produktiv nutzbar, kein Zukunftsthema mehr.
- Open-Source-Modelle wie Qwen, DeepSeek und Kimi sichern Datenhoheit und Kostenkontrolle.
- Energieeffizienz und Sicherheit werden zu entscheidenden Erfolgsfaktoren.
Credits
- State of AI Report 2025 – Air Street Capital, 09.10.2025
- Beitragsbild von Denys Nevozhai


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